Waldkirch
Wer Waldkirch, das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Elztals im Breisgau, einmal besuchen möchte, dem empfiehlt sich auch ein Abstecher auf die hoch über der Stadt gelegenen Ruine Kastelburg. Von hier genießt man einen Blick über die Stadt und das vordere Elztal bis zum Kaiserstuhl und den Vogesen. Die Stadt liegt im Landkreis Emmendingen.
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Das Video oben zeigt einen Spaziergang durch Waldkirch. Bild antippen und genießen!
Die imposanten Reste der im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Wehranlage mit ihrem markanten Burgfried grüßen schon aus der Ferne. Der bequeme Aufstieg, der nicht mehr als eine halbe Stunde in Anspruch nimmt, beginnt hinter dem Bahnhof. Der Lohn für die geringe Mühe fällt umso reichlicher aus.
Unten liegt die alte Stadt der Edelsteinschleifer und Orgelbauer am Ufer der Elz. Auf den ersten Blick erkennt man, dass trotz der Zeugnisse des modernen Gewerbefleißes noch viel historische Substanz vorhanden ist. Der ehemalige Klosterbezirk mit der berühmten Peter-Thumb-Kirche fällt genauso ins Auge wie der malerische Marktplatz oder zahlreiche exponierte Gebäude. Über allem aber thront der im Osten gelegene Berg der Hexen, der sagenumwobene Kandel. In seinem Schatten hat sich die Stadt entwickelt.
Waldkirchs erste urkundliche Erwähnung datiert auf das Jahr 926. Um diese Zeit wurde von dem Alemannenherzog Burkhard I. und seiner Gemahlin Reginlinde am Ausgang des Dettenbachtales ein Frauenkloster gegründet, das sich nach der Regel des heiligen Benedikt richtete. Es wurde reich ausgestattet. Zum Stiftungsgut zählte neben Besitzrechten im alten Siedlungsland des Breisgaus vor allem das damals noch wenig erschlossene Elztal. Patronin war die heilige Margaretha.
Nachdem das Kloster von Burkhard einer anderen Heiligen, nämlich der mit ihm verwandten Adelheid, übergeben worden war, stieg es 994 sogar zum freien Reichskloster auf und durfte sowohl die Äbtissin selbst bestimmen als auch über den Besitz eigenständig verfügen. Eine günstige Ausgangslage für die Entstehung einer Stadt.
Um den Klosterbezirk herum bildete sich allmählich ein Haufendorf, wo die zur Versorgung der klösterlichen Wirtschaft nötigen Arbeitskräfte lebten. Dies war Waldkirchs Keimzelle. Erstmals ist im jahr 1287 von einer Unterstadt die Rede. 1300 erhielt der malerische Ort am Fuße des 1242 hohen Kandels das Stadtrecht nach Freiburger Vorbild durch die Herren von Schwarzenberg verliehen.
Vögte des Klosters waren sie und nutzten ihre Stellung weidlich aus. Statt den Besitz der Nonnen zu schützen, arbeiteten sie in die eigene Tasche. Die Stadtgründung war denn auch ein kluger Schachzug gegen das freie Reichskloster. Auf diese Weise sicherten sich die Schwarzenberger die militärische und wirtschaftliche Vormachtstellung im aufstrebenden Elztal, das als Handelszentrum zwischen Elsass und Schwarzwald an Gewicht gewnan. Wichtig aber war vor allem, dass Rudolf von Habsburg die Lehnsoberhoheit über Waldkirch und seine Umgebung durchsetzen konnte. So blieb das “Tor zum Elztal” bis 1806 bei den österreichischen Vorlanden und kam danach zum Großherzogtum Baden.
Während das Frauenkloster einen allmählichen Niedergang erelebte und 1431 durch ein Chorherrenstift ersetzt wurde, nahm die Waldkircher Wirtschaft einen steilen Aufschwung. Wer vom Bahnhof aus kommend über den Jünglingsteg die Innenstadt betritt, stößt unweit der Elz auf ein Relikt, das von einer großen gewerblichen Vergangenheit kündet. An einer Haus steht ein gewaltiger Schleifstein, in dem folgender Spruch eingraviert ist: “Auf solchem Stein, durch leisen Druck schelift Wintermantel schönsten Schmuck.” Um die Ecke gelangt man zum Eingang der Edelsteinschleiferei Wintermantel, deren liebevoll dekorierte kleine Auslage mit edlen Schmuckwaren bestückt ist.
Es waren die Edelsteine, denen Waldkirch Ruhm und Reichtum verdankte. Am nahe der Elz verlaufenden Gewerbekanal waren seit dem 15. Jahrhundert die Betriebe angesiedelt. 1535 zählte die Stadt noch 40 Meister der Edelsteinschleiferei, die sich zu einer mächtigen Bruderschaft verbündet hatten. Das Ausgangsprodukt bezogen sie aus den Silber-, Kupfer- und Bleiminen von Freiamt, Simonswald und dem Suggental. Als der Bergbau zum Erliegen kam, besorgten sie Nachschub aus der Gegend von Idar-Oberstein, aus Böhmen und der Schweiz. In der Blütezeit des Gewerbes, die in das 18. Jahrhundert fiel, gab es 28 Schleifereien mit über 400 Beschäftigten. 1813 waren davon nur noch zwei Betriebe übrig geblieben. Heute produziert allein noch die 1825 gegründete Firma Wintermantel.
Von einem anderen Gewerbe, das Waldkirch berühmt gemacht hat, erfährt der Besucher, wenn er das Glück hat, dem alle drei Jahre in der malerischen Innenstadt veranstalteten internationalen Orgelfest beizuwohnen. Dann hallen die Kläge von Orgeln aller Art durch die Straßen und Gassen. Waldkirch verwandelt sich für eine kurze Zeit in einen großen Konzertsaal. Die ersten Orgelbauer siedelten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Eltalmetropole an. Ihre Drehorgeln und Orchestrien wurden in alle Welt geliefert. Beliebt waren sie in Nord- und Südamerika, in Rußland, Südafrika und Australien. Sie erklangen in Saloons und auf Jahrmärkten genauso wie in den guten Stuben. Doch gegen die Konkurrenz des Radios und der Schallplattenindustrie vermochten sie sich nicht zu behaupten. Immerhin konnten sich Orgelbauwerkstätten des einsmals so bedeutenden Gewerbes bis auf den heutigen Tag in Waldkirch behaupten.
Von den guten Tagen des Orgelbaus und dem Leben der Menschen im Elztal kündet das in der Propstei des Chorherrenstifts untergebrachte Elztal-Museum. Überhaupt ist der ehemalige Klosterbezirk ein in der Region einzigartiges Ensemble historischer Bauten, unter denen die von peter Thumb 1732 bis 1734 erbaute barocke Kirche hervorragt. Im Umfeld des Kirchplatzes findet man über ein Dutzend wertvoller Gebäude, die alle mit Informationstafeln versehen sind.
Schwarzwaldzoo. Gut ausgeschildert vom Stadtkern Waldkirch aus empfiehlt sich ein Besuch des “Schwarzwaldzoos”. Das Tiergehege verfügt über einen Streichelzoo sowie zahlreichen weiteren Tieren.
Eine weitere Häufung an Sehenswürdigkeiten bietet der Bereich um den Marktplatz mit seinen gepflegten Bürgerhäusern, der als Fußgängerzone umgestaltet wurde und besonders an Markttagen nicht mit Charme geizt. Der Bummel durch die Vergangenheit wird hier von Geschäften und Gaststätten flankiert, so dass Körper und Geist gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Als empfehlenswerte Durstlöscher sei das in Waldkirch gebraute Hirschen-Bier empfohlen, aber auch ein Vieretele aus dem Stadtteil Buchholz ist nicht zu verachten.
Dass bei allem historischen Ernst, der mit solchen Zeugen der Vergangenheit wie der Stadtkapelle von 1332, der alten Stadtapotheke, dem Rest der Stadtmauer oder dem Marienbrunnen verbunden ist, der Spaß nicht zu kurz kommt, dafür sorgt der Narrenbrunnen imv ersteckten Innenhof des Rathauses. Er ist ein Beleg dafür, dass Waldkirch eine Brutstätte der alemannischen Fasnacht ist. Das hübsche Figurenensemble mit dem ins Wasser gefallenen Jokili, der Hexe, dem Nachtwächter, einer Frau und einem kind ist durch folgenden Spruch im Waldkircher Dialekt ergänzt: “Jokili isch in Brunn gheit / han es höre plumpse / han gmeint swär e rechte Mensch / jetezt isch es nur e Stumpe.”
Im Ortsteil Suggental, dessen Silberminen im Mittelalter bei einer furchtbaren Wasserflut zerstört wurden, sprudelt in der Ortsmitte beim Hotel/Gasthaus Suggenbad (mit schönem Biergarten!) sogar eine Schwefelquelle aus dem Boden. Doch auch ein Besuch der Stadtteile Kollnau, wo vom reizvollen Kohlebachtal herrliche Wanderwege in die Umgebung führen, oder Siensbach mit seinen weit verstreuten Bauernhöfen ist empfehlenswert. Überall wird man zu ein und demselben Schluss gelangen: Waldkirch hat mit seinem vorbildlichen Konzept des sanften Tourismus zu Recht den Bundespreis “Tourismus und Umwelt 1997” gewonnen. Waldkirch, das ist eine badische Kleinstadt zum Verlieben.
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