Triberg Rathaussaal
Zu den besonderen Sehenswürdigkeiten Tribergs gehört neben den Wasserfällen, dem Schwarzwaldmuseum und der barocken Wallfahrtskirche der holzgeschnitzte Rathaussaal, gestaltet von Karl Josef Fortwängler.
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Auf den ersten Blick erkennt der Besucher nicht die künstlerische Aussage, den Reichtum der Ideenwelt und die herbe Schönheit der Gestaltung. Ursache dafür ist nicht zuletzt das verwendete Material, das schwer zu bearbeitende Kiefernholz. Das pralle Leben, die Überfülle der Einzelheiten, die sich zur Idee fügen, teilen ihre Geheimnisse nur dem verweilenden, sinnenden Betrachter mit.
Die Gewalt der Natur, Kampf und Leid der Tierwelt, die bäuerliche Umgebung, das städtische Handwerk, der Handel, die Arbeit der Stadtverwaltung, Frohsinn und Mühsal, die Religion, die Kultur überhaupt wird dem Besucher vor Augen geführt. Wendet sich der Blick des Beschauers zur Höhe, so trifft er unter drei Deckengewölben an einer Längsseite des Saales den Tierfries. Die Dramatik der Kämpfe, Hass bis zum Vernichtungswillen – er hat in der freien Natur, aber nur dort seinen Platz und seinen Sinn. Der Habicht darf den Hasen schlagen, der Fuchs den Hahn holen, die Wildkatze den Dackel anfallen, Krähen miteinander kämpfen: abschreckende Beispiele, da sich der Schwächere dem Stärken beugen muss.
Die Ratsmitglieder, die bis vor wenigen Jahren in diesem Raum tagten, sollen dem Gesetz der Liebe folgen, ihre Gedanken dem Schwachen gelten. Dies soll nach den Worten des Künstlers die eindringliche Mahnung des Frieses sein. Drastisch und größer in seinen Dimensionen, deshalb wohl auch von nachhaltigerer Einprägsamkeit: über der Eingangstür ein Schwarzwälder, eine urwüchsige Gestalt, auf dem Boden liegend, im Kampf mit einem Raubvogel. Symbol für das Ringen um die Existenz in kargem Gebirgsland. Daneben wie zum Ausgleich das friedliche Bild des balzenden Auerhahns in dichtem, knorrigen Geäst, das sich über zwei Felder dehnt.
Deutlich davon abgesetzt ist in einem daruter verlaufenden Band das arbeitende Triberg im Augenblick vor der Durchsetzung der Industrie seiner heute teilweise aussterbenden Handwerksberufe dargestellt: erkennbar an seinem typischen Handwerksgerät oder Produkt: Schneider, Schuhmacher, Schreiner, Bäcker, Konditor, Planer, Maler, Fotograf, Schmied, Klempner, Schlosser, Zimmermann, maurer, Polizeidiener: zwei lange Säulenreihen mit Renaisanceelementen, teilweise von dünnen Stämmchen flankiert, tragen sie, das selbstbewusste Handwerk selbstbewusst vorgezeigt.
Tragende Pfeiler, aus den Längsseiten unaufdringlich herausragend, stellen im Mittelteil des Saales die Uhrenherstellung mit einem Uhrmacher, die gekrönte Maria in Tanne und den Triberger Wasserfall dar, der sich über eine menschliche Gestalt ergießt und Forellen zu Tale schwemmt.
In zwei weiteren, kräftigeren Säulen, die über die Decke mit einer holzgeschnitzten Kette verbunden sind, ist das Relief eines Mannes mit einer Hacke arbeitend beziehungsweise eines Mannes in einem Buch lesend: körperliche und geistige Arbeit untrennbar miteinander verbunden. Beide stehen in Dornengestrüpp, dem Zeichen der Mühsal.
Die Beleuchtung in der Mitte des Saales ist in schmiedeeisernes Wurzelwerk gefasst, darin verbirgt sich der Heimatgeist über einem granitenen Stein, der nur das eine Wort trägt: Heimatboden. Betrachten wir das Rondell der Stirnseite des Saales: Die Wappen zeigen die Stadtteile. Das Triberger Wappen mit den drei grünen Bergen und den beiden Hörnern in den habsburgischen Farben rot und weiß (Triberg war ein Teil Vorderösterreichs), das rechte Wappen mit dem Nußbaum für Nußbach, das linke mit der Forelle unter dem “G” für Gremmelsbach. In den Feldern darunter hielt Fortwängler mit Bürgermeister Ewald Klein und den acht damaligen Stadträten eine Szene des Jahres 1926 fest. Der Lichtreif besteht aus neun Lampen, in der Mitte die Gesalt des Gekreuzigten.
Schier unerschöpflich war die Phantasie des Künstlers in der Ausgestaltung dieses Rondells. In je einem Fenster treibt ein Engel das Rad der Geschichte an, vergeblich stemmt sich der Mensch ihm entgegen, ihm gegenüber fällt ein Holzhauer einen dürren Baum. In einer Nische ruht an einem Amboss ein Schmied von seiner Arbeit aus, in der Handhält er ein Hufeisen, ihm gegenüber, ebenfalls in einer Nische seine Frau mit ihrem Kind auf dem Arm, das liebliche Bild der Familie. Auf je einem kleineren Relief hackt eine Bauersfrau am Berghang Kartoffeln aus, ein tanzendes Paar weist auf die heitere Seite des Lebens hin: ein Tänzchen in Ehren – wer will´s verwehren?
Von dieser Stirnseite schauen sechs Gnomengesichter, wie sie Fortwängler in großer Zahl schnitzte, in den Saal. Auf der Seite zum Marktplatz hin ist zwischen zwei Fenstern, die noch Reste von Jugendstilmalereien zeigen, mit dem Relief des schlafenden Adam und der betenden Eva die Trauwand ausgestaltet. Sie erinnert an den Aufbau eines Altares. Patriarch und weltlicher Richter symbolisieren göttliches und menschliches Recht. Nach ihm haben sich die Menschen zu richten. Davor geben sich Tribergs Brautleute das Jawort.
Die Türe zu den Verwaltungsräumen des Rathauses zeigt noch einmal dasBild des Bürgermeisters, diesmal mit dem Ratschreiber – und Fortwängler konnte den Spaß nicht lassen – zwei Bürger wollten ihrem Bürgermeister die Meinung sagen: Sie stehen danach mit langezogenen Ohren da. Über der Tür ist das Wappen der Stadt Triberg angebracht. Uhrmacher und Wanderer reichen sich die Hand. Industrie und Tourismus sollen sich zusammenfinden und zum Wohl der Stadt arbeiten. Der dunkelgrüne Kachelofen trägt auf seinen drei Säulen die Widmung: “Der Heimat 1926”.
Fortwängler konnte man ein Werk von solchen Dimensionen anvertrauen. Der damalige Bürgermeister Keil überwand alle Schwierigkeiten in der öffentlichen Meinung und in der Bürgervertretung. Am 14. Juli 1926 gab der Bürgerausschuss seine Zustimmung, am 26. Dezember konnte der Saal der Öffentlichkeit vorgestellt werden.In dieser kurzen Zeit hat Fortwängler mit den Handwerkern den Saal geschaffen.
Karl Josef Fortwängler (1876 – 1960) war ein ungewöhnliches Talent. Die Berufung zur Kunst fand er schon im Kindesalter, so dass er die sichere Existenz eines Fabrikanten ausschlug. Doch bedeutete dies auch qualvolles Ringen mit der Kunst, mit seiner Kunst, die “mit historischen Stilarten nichts zu tun” haben, sondern der “Wälderstil” des Schnitzersepp werden sollte.
Nach zwei Jahrzehnten des Irrens in der Fremde kehrte er nach Triberg zurück – jetzt “Schnitzersepp” genannt – von der Idee beflügelt, mit seine Kunst dem Schwarzwald den Wohlstand zu bringen. Einen Eindruck von seinen Gestalten, seinen Originalen, vermittelt das Schwarzwaldmuseum in Triberg, sein anderes großes Denkmal in seiner Heimatstadt. Sein Vorhaben, in Triberg eine Meisterwerkstatt, eine Schnitzschule für junge Schwarzwälder Talente aufzubauen, ließ sich in Triberg verwirklichen, auch in Freiburg nicht, wohin er 1930 nach einem Zerwürfnis mit der Stadt übersiedelte. Er nahm es ins einen späten Jahren an, ein Einsamer, ein Unzeitgemäßer gewesen sein. Er bewahrte die Liebe zur Natur und ihren Geschöpfen, der Friede des Alters wurde ihm zuteil.
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